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Die Schuhlängendifferenz und andere Rückschläge
28.06.2013 17:16

Da hatte ich gehofft, dass nach dem Diagnostik-Marathon endlich ein neuer Familienalltag und somit etwas Ruhe einkehrt. Die Termine für die Kontrolluntersuchungen standen alle bis April 2014, der Abstand für die Kontrolluntersuchungen stand fest, er hatte nach viel Ärger beim Orthopädietechniker zwei Paar aufgebaute Schuhe, ..... dies alles gab mir einen Hauch von Sicherheit. Ich hatte nun einen Plan, ich fühlte mich der Erkrankung nicht vollkommen hilflos ausgeliefert. 

Doch dann kam es zu einigen Rückschlägen: die Begutachtung durch den MDK für die Pflegestufe lief wie erwartet ernüchternd ab: die Gutachterin emfpand alles als normal, egal oder für die Pflege irrelevant. (Die Pflegestufe wurde abgelehnt.)

Doch den Moment, als die Gutachterin die Fußsohlen aneinander hielt, werde ich nie wieder vergessen, denn die Zehen des linken Fußes ragten weit über die Zehen des rechten Fußes hinaus. Das war für mich ein Schock! Denn bisher war die gesamte linke Körperhälfte massiger, aber eine Längendifferenz lag "nur" am Oberschenkel vor.

Der Fuß wirkte bisher größer, weil er dicker war, aber nicht nachweisbar länger. Nun wußte ich auch, warum das Anziehen des linken Schuhs so schwierig war. Einige Tage später habe ich nachgemessen und eine Fußlängendifferenz von 1,5 cm gemessen. Ich bin am nächsten Tag mit Felix zum Kinderarzt. Die Ärztin wirkte sichtlich erschrocken und rief sofort die Orthopädieklinik an und bat um einen Termin, um ihn schnellstmöglich erneut vorzustellen.

Der Termin ist am 8.7.. Für eine Klinik mit einer Volaufzeit von 6 Monaten ist das schnell. Unser geplanter Kontrolltermin sollte im April 2014 sein. Doch mittlerweile paßt er überhaupt nicht mehr in seine Schuhe. Neue Schuhe kaufen ist unmöglich, weil er in normale Schuhe nicht mehr hineinpaßt. Ich habe ihm Lederpuschen genäht und als Übergangslösung haben wir herausgefunden, dass Crogs rechts in Schuhgröße 24 und links in 26 einigermaßen passen. Doch die Beinlängendifferenz wird nun nicht mehr ausgeglichen.

Die Nächte sind zur Zeit schlaflos. Er hat Schmerzen, weint, sagt "traurig, Tuch haben, Augen naß". Es zerreist mir das Herz und ich kann ihm nicht helfen. Ich weiß auch nicht genau, was nun die Schmerzen auslöst: der aktuelle Wachstumsschub, das Laufen ohne Schuhaufbauten oder sind es die "normalen" Schmerzen, die leider zur Hemi dazugehören.

Seit 10 Jahren bin ich nun Mutter, doch diese Arztbesuche fühlen sich ganz anders an. Das Gefühl zum Kinderarzt mit der Fußlängendifferenz zu gehen, ist eher mit dem Gefühl bei einer Beerdigung zu vergleichen als mit einem normalen Kinderarztbesuch. Meine Kinder waren auch schon oft längere Zeit krank. So hatten die Mädchen nacheinander Keuchhusten und im Anschluß noch das Pfeiffersche Drüsenfieber gehabt. Doch dieses weinende Kind zu trösten in den letzen Nächten ist viel schwerer. Denn ich würde am liebsten mitweinen. Ich kann meinen Sohn und mich nicht damit trösten, dass diese Krankheit bald überstanden ist und dann alles wieder gut ist. Nein, diese Krankheit schreitet weiter fort. Es wird nicht mehr weg gehen. Auch die Schmerzen bleiben wahrscheinlich. Dies gehört nun zu seinem kleinen Leben dazu. 

Außgerechnet jetzt kamen die langerwarteten Ergebnisse der Humangenetik:

Es wurde nichts gefunden. Da könnte man zunächst denken "Prima!". 

Aber leider bedeutet dies nicht, dass mein Kind nicht krank ist. Es ist sichtbar krank und die Krankheit macht weitere untypische Schübe. Damit haben die Ärzte nicht gerechnet. Es wurde keine Ursache gefunden. Das heißt, wir haben auch keine Prognose. Wir haben überhaupt keine Ahnung, wohin die Reise geht.

Von den möglichen Syndromen, die die Hemihypertrophie verursachen könnten, wäre das Beckwith-Wiedemann-Syndrom nicht das schlechteste gewesen. Da hätten wir auch wenigstens Gewißheit gehabt, eine ungefähre Prognose, gewußt, dass die Wachstumsschübe irgendwann aufhören, .... doch nun habe ich hier ein Kind, dass unaufhaltsam schmerzhafte Wachstumsschübe durchmacht und ich weiß weder, was diese verursacht, noch wie es weiter geht. 

Ich muss mein Kind leiden sehen und kann ihm nicht helfen. Die Ärzte sind alle bemüht, doch sie haben aktuell keine Ideen, können mir keine weiteren humangenetischen Untersuchungen anbieten. Am 18.07. findet eine erneute genetische Beratung statt. Ich hoffe, dass die Ärzte bis dahin informiert haben und neue Vermutungen haben. 

Diese Ergebnisse bedeuten auch nicht, dass das Beckwith-Wiedemann-Syndrom ausgeschlossen ist. Es konnte lediglich nicht nachgewiesen werden. Es könnte auch als Mosaikform vorliegen. Dies könnte mit einer Biopsie des Hemi-Beines nachgewiesen werden, aber auch nicht zu 100%. 

Nun kann ich nur trösten, beten und warten.

 

Das Muggelstein-Glas
Fotoshooting Tapfere Knirpse

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